Dr. Baumgartner über Restgehörerhalt und MRT-Tauglichkeit von Cochlea-Implantaten
ExperteninterviewDr. Baumgartner über seine Erfahrungen mit Restgehörerhalt bei Cochlea-Implantationen, MRT-Tauglichkeit von Cochlea-Implantaten und Indikationen von Erwachsenen.
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hearbetter: Ist ein Restgehörerhalt bei einer Cochlea-Implantation möglich?
Dr. Baumgartner: Ich führe seit dem Jahr 2000 Cochlea-Implantationen bei Patient*innen mit akustisch verwertbarem Restgehör durch und habe seither mehrere hundert Patient*innen erfolgreich operiert. Ich wende eine eigens entwickelte Operationsmethode an, bei der ich über das Runde Fenster mit einer Mikronadel in die Cochlea gelange. Mit den FLEX Elektroden konnte ich diese OP-Technik weiter verfeinern. Wir erreichen bei Patient*innen bis zum 60. Lebensjahr in so gut wie allen Fällen einen Hörerfolg mit Restgehörerhalt, insbesondere bei Kindern. Bei ihnen ist das Restgehör leichter zu erhalten, da die Elastizität der Cochlea höher ist.
Bei Erwachsenen zwischen 60-65 Jahren ist die scala vestibuli bereits rigider und kann daher bei der Insertion leichter beschädigt werden. Personen über 65 Jahren kann ein Restgehörerhalt nicht garantiert werden.
hearbetter: Wie wichtig ist es, dass Cochlea-Implantate MRT-tauglich sind?
Dr. Baumgartner: Die MRT-Tauglichkeit von Cochlea-Implantaten ist für mich einer der wesentlichsten Fortschritte der letzten Jahre. Jeder Mensch, der jetzt in Österreich lebt, wird mindestens eine MRT-Untersuchung in seinem Leben haben. Wichtig ist, dass ein Cochlea-Implantat für 3 Tesla zugelassen ist, denn alle modernen MRTs sind heute 3 Tesla Geräte. Bei Skiunfällen, Bandscheibenvorfällen, etc. muss man sofort und unkompliziert ein aussagekräftiges MRT durchführen können. Ein Cochlea-Implantat, das im Jahr 2021 nicht 3 Tesla MRT-tauglich ist, ist nicht zu verantworten.
hearbetter: Wie werden erwachsene Cochlea-Implantat-Kandidat*innen diagnostiziert?
Dr. Baumgartner: Bei Erwachsenen betrachten wir mehrere Parameter. Einer ist die reine Sinustonkurve, die Tonwertschwelle der Patient*innen. Diese allein ist allerdings nicht aussagekräftig. Viel wichtiger ist das Sprachverständnis. In der deutschen Sprache müssen wir 50% eines Textes akustisch erfassen, um diesen zu verstehen.
Wenn also mit bester Hörgeräteversorgung ein:e Patient*in bei 65 dB Prüfschall weniger als 50% offenes Sprachverständnis erreicht, ist er oder sie ein:e Kandidat*in für ein Cochlea-Implantat.
Liegt ein:e Patient*in über 50% Sprachverständnis, ist er oder sie kein:e CI-Kandidat*in.
Obere Altersgrenzen gibt es übrigens nicht, wichtig ist der allgemeine Gesundheitszustand der Patient*innen. Unser ältester Patient war 86 Jahre, doch bis auf den Hörverlust war er sehr gesund.
Zur Person: Wolf-Dieter Baumgartner ist außerordentlicher Universitätsprofessor an der Medizinischen Universität Wien, Univ. Prof. an der Karolinska Universität Stockholm und Gastprofessor an der Universität Brünn. Seit über 30 Jahren arbeitet und forscht er auf dem Gebiet der Cochlea-Implantation.
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