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Natürliche Klangqualität mit dem CI: die Voraussetzungen

Natürliche Klangqualität mit dem CI: die Voraussetzungen

Ein Cochlea-Implantat ermöglicht es, (wieder) zu hören. Dabei geht es um weit mehr als um das reine Wahrnehmen von Klängen, Geräuschen und Sprache – Ziel ist ein möglichst natürliches Hörerlebnis.

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Das fröhliche Lachen eines Kindes, der Spaziergang mit Freund*innen durch die Innenstadt, das Genießen oder Musizieren des Lieblingslieds – Hören ist immer mit Emotionen verbunden. Um diese bestmöglich transportieren zu können, ist es daher unabdingbar, dass Nutzer*innen eines Cochlea-Implantats (CI) ein möglichst natürliches Hörerlebnis erfahren können. Dazu kommt: Ein solch fast natürliches Hörempfinden hilft dem Gehirn, auch komplexe Geräusche besser verstehen und verarbeiten zu können. Das erleichtert CI-Nutzer*innen, Gesprächen in einer größeren Gruppe oder in einer lauten Geräuschkulisse zu folgen.[1] [2] 

Wie funktioniert möglichst natürliches Hören mit einem CI? 

Beim natürlichen Hören gelangen Klänge in Form von Schallwellen vom Außenohr zu den Gehörknöchelchen im Mittelohr und weiter ins Innenohr. Dort befindet sich die Cochlea mit ihren tausenden kleinen Haarzellen, die jeweils auf eine spezielle Tonfrequenz reagieren. Sind die Haarzellen nicht in der Lage, Schallinformationen weiterzuleiten (Schallempfindungsschwerhörigkeit), kann ein CI-System Abhilfe schaffen. Es besteht aus einem außen am Ohr getragenen Audioprozessor und einem Implantat, das chirurgisch unter die Haut oberhalb des Ohres eingebracht wird. Das Implantat besteht aus einem Gehäuse mit einer Spule und einem Magneten sowie aus einer Elektrode, die in die Cochlea eingeführt wird. Genau diese Elektrode ist dabei ein entscheidender Faktor für das Hörerlebnis der Nutzer*innen. Je präziser sie positioniert ist, desto genauer kann sie mit einem elektrischen Impuls jene Nervenstruktur aktivieren, die für die jeweilige Tonfrequenz verantwortlich ist. 

Die Elektrodenlänge ist entscheidend  

Damit es gelingt, Klänge möglichst natürlich und akkurat wiederzugeben, muss die Elektrode des CI-Implantats lang genug sein, um die Cochlea in ihrer gesamten Länge bis in eine Tiefe von etwa zwei Windungen (720°) zu stimulieren. Nur so lässt sich das gesamte Klangspektrum abdecken. Denn in der Cochlea werden in bestimmten Bereichen klar definierte Frequenzen kodiert (hohe Frequenzen < 240°, mittlere Frequenzen < 480°, tiefe Frequenzen < 720°). Zwar können auch CI-Implantate mit kürzeren Elektrodenträgern tiefe Frequenzen stimulieren – allerdings können sie das nur in den Bereichen der Cochlea, die sie auch erreichen.[1] [3] [4] Dadurch werden tiefe Frequenzen nach oben alteriert, Geräusche wirken blechern und dünn – und der Klang verliert an Fülle.[5] [6] [7] [8] [9] Tiefergehende Informationen zum Zusammenhang zwischen natürlichem Hören und der Elektrodenlänge finden Sie auch hier 

Einen Einblick in den derzeitigen Stand der Forschung zu natürlichem Hören mit Hilfe von CI-Implantat-Technologie geben Ihnen internationale Expert*innen in kurzen Videos hier 

 

 

Zur rechten Zeit am rechten Ort  

Eine längere Elektrode allein verspricht nicht von Grund auf auch ein möglichst natürliches Hörempfinden. Denn in der zweiten Windung der Cochlea gibt es eine entscheidende Besonderheit, die auch Cochlea-Implantate berücksichtigen müssen: Es kommt eine zusätzliche Art der Klangkodierung ins Spiel. Klänge werden hier nicht mehr nur örtlich, sondern auch zeitlich aufgeschlüsselt. Die räumliche (tonotope) Kodierung des Klangs bestimmt, welche Haarzellen stimuliert werden. Die zeitliche Ratenkodierung ist dafür verantwortlich, wie schnell oder langsam die Haarzellen aktiviert bzw. wieder deaktiviert werden. Berücksichtigt das Implantat diese zeitliche Kodierung nicht, kommt es zu einer „Tonhöhenverwirrung“, da das Gehirn eine starre Rate als nach oben verschobene Tonhöhe verstehen würde.[4] [10] [11] FineHearing, die einzigartige ratenspezifische Kodierungsstrategie von MED-EL, sorgt dafür, dass die Stimulationsrate für Elektrodenkontakte in der zweiten Cochlea-Windung ohne Verzögerung an die Frequenz angepasst wird. Nur so können die natürlichen Tonhöhen der vom Audioprozessor aufgenommenen Klänge in jedem Frequenzbereich möglichst naturgetreu stimuliert werden – und Nutzer*innen ein umfassendes, fast natürliches Hörempfinden erleben. 

Mehr Informationen zur zeitlichen Codierung in der Cochlea finden Sie auch hier in unserem Professionals Blog.  

 

Literatur 

[1] – Canfarotta, M. W., Dillon, M. T., Buss, E., Pillsbury, H. C., Brown, K. D., & O’Connell, B. P. (2020). Frequency-to-place mismatch: Characterizing variability and the influence on speech perception outcomes in cochlear implant recipients. Ear & Hearing, 41(5), 1349–1361. 

[2] – Canfarotta, M. W., Dillon, M. T., Buchman, C. A., Buss, E., O’Connell, B. P., Rooth, M. A., King, E. R., Pillsbury, H. C., Adunka, O. F., & Brown, K. D. (2020). Long‐term influence of electrode array length on speech recognition in cochlear implant users. The Laryngoscope, 131(4), 892–897. 

[3] – Li, H., Schart-Moren, N., Rohani, S., A., Ladak, H., M., Rask-Andersen, A., & Agrawal, S. (2020). Synchrotron Radiation-Based Reconstruction of the Human Spiral Ganglion: Implications for Cochlear Implantation. Ear Hear. 41(1). 

[4] – Landsberger, D.M., Vermeire, K., Claes, A., Van Rompaey, V., & Van de Heyning, P. (2016). Qualities of single electrode stimulation as a function of rate and place of stimulation with a cochlear implant. Ear Hear., 37(3), 149–159. 

[5] – Dorman, M.F., Cook Natale, S., Baxter, L., Zeitler, D.M., Carlson, M.L., Lorens, A., Skarzynski, H., Peters, J.P.M., Torres, J.H., & Noble, J.H. (2020). Approximations to the voice of a cochlear implant: explorations with single-sided deaf listeners. Trends Hear. 24:2331216520920079. 

[6] – Dorman, M. F., Natale, S. C., Zeitler, D. M., Baxter, L., & Noble, J. H. (2019). Looking for Mickey Mouse™ But Finding a Munchkin: The Perceptual Effects of Frequency Upshifts for Single-Sided Deaf, Cochlear Implant Patients. Journal of speech, language, and hearing research: JSLHR, 62(9), 3493–3499. 

[7] – Roy, A.T., Penninger, R.T., Pearl, M.S., Wuerfel, W., Jiradejvong, P., Carver, C., Buechner, A., & Limb, C.J. (2016). Deeper cochlear implant electrode insertion angle improves detection of musical sound quality deterioration related to bass frequency removal. Otol Neurotol., 37(2), 146–151. 

[8] – McDermott, H., Sucher, C., & Simpson, A. (2009). Electro-acoustic stimulation. Acoustic and electric pitch comparisons. Audiol Neurootol., 14(1), 2–7. 

[9] – Harris, R.L., Gibson, W.P. Johnson, M., Brew, J., Bray, M., & Psarros, C. (2011). Intra-individual assessment of speech and music perception in cochlear implant users with contralateral Cochlear and MED-EL systems. Acta Otolaryngol., 131(12), 1270–1278. 

[10] – Schatzer, R., Vermeire, K., Visser, D., Krenmayr, A., Kals, M., Voormolen, M., Van de Heyning, P., & Zierhofer, C. (2014). Electric-acoustic pitch comparisons in single-sided-deaf cochlear implant users: frequency-place functions and rate pitch. Hear Res., 309, 26–35. 

[11] – Rader, T., Döge, J., Adel, Y., Weissgerber, T., & Baumann, U. (2016). Place dependent stimulation rates improve pitch perception in cochlear implantees with single-sided deafness. Hear Res., 339, 94–103. 

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